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Grau, das neue WOW?

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Warum viel Produkte zurzeit grau sind.

Sie haben ihn sicher auch schon auf der Straße vorbeifahren gesehen: den ID3 von VW. In einem Farbton, dem die Bezeichnung „grau“ nur unzureichend gerecht wird. Es handelt sich um ein Grau, das je nach Umgebungsfarbe, mal ins Grün, mal ins Blau, mal ins Rosa zu kippen scheint. Wie ein motorisiertes Lehrbeispiel für den Simultankontrast. Diese eigentümliche Ausstrahlung von Grau scheint auch der Erzähler in Samuel Becketts »Der Namenlose« zu beobachten: »Wenn ich es mir übrigens recht überlege, ist dies Grau ein wenig rosa.«

Der Hersteller des Autos nennt die Farbe „Mondsteingrau”. Spannende Einblicke über die Entwicklung des Graus als favorisierte Farbe für Autos gibt dieser Artikel.

Vor wenigen Jahren erfreute eine neue Generation des iPad seine User. In der Farbe “Space grey”. Nach dem Auspacken meinte man wirklich ein PADD (Personal Access Display Device) aus der Serie Star Trek in Händen zu halten. Das Ding hatte vor 30 Jahren seinen ersten TV-Auftritt und war für Captain Jean-Luc Picard schon damals kein Weltraumschrott.

Aber warum Grau?

Ist das nicht die Farbe der Langeweile, des Zweifelhaften und der Unbestimmtheit? Die graue Maus, Grauzonen und die graue Vorzeit erzählen bereits davon. Graue Eminenzen mögen weise und ehrwürdig sein, jedoch auch sichtlich alt.

These: Die Farbe Grau hat irgendwann eine Umdeutung erfahren. Was sagt der Denker Peter Sloterdijk? „Modernes Design und seine postmodernen Nachspiele geben sich daran zu erkennen, dass Farben und Bedeutungen weit auseinandertreten. Niemand besteht mehr darauf, die Hoffnung müsse grün codiert sein, während die Ferne, die Weite, die Umhüllung vom Unendlichen nach Blau verlange; wer immer noch meint, Rot sei die deklarierte Liebe, dem wird zu einem besseren Geschmack kaum noch zu verhelfen sein.”1

Zuschreibungen und Farbnamen werden, wie wir wissen, oft im Nachhinein von Textern und Marketingverantwortlichen erfunden. Wem die Meriten für die Wahl des Wortes „Mondsteingrau” oder der Bezeichnung “Space grey” gebühren, ist uns nicht bekannt. (Wenn VW- oder Apple-Mitarbeiter das hier lesen, nähere Infos gerne an moc.l1731345709labre1731345709blis@1731345709eciff1731345709o1731345709 senden!) Sicher ist jedoch, dass uns die Bezeichnungen entrücken. Von der Welt hinaus ins All. Raketenwissenschaft, Fortschritt (möge der Schritt für einen Menschen noch so klein sein) und Tom Hanks’ schauspielerische Meisterleistungen kommen einem in den Sinn.

STORAC in der Farbe DB 703

Grau ist auch der Batteriespeicher STORAC der Marke Prolux. Seine Farbe trägt die wenig werbliche Bezeichnung DB 703. Sie ist jedoch mehr als ein einfaches Grau. Sie zeichnet sich durch einen Eisenglimmer-Effekt aus, der ihr eine metallische Optik verleiht. Und: DB steht für Deutsche Bahn. Das Unternehmen nutzte die Farbe lange exklusiv als Korrosionsschutz für Metallkonstruktionen. Zugegeben: Die Eisenbahn verkörpert heute nicht mehr den Zug in ein neues Zeitalter wie noch Mitte des 19. Jahrhunderts (obwohl sie das Potenzial dazu hätte). Dennoch: Der STORAC Energietresor in der Fabre DB 703 stellt die Weichen für eine nachhaltige Energieversorgung von Gebäuden.

Abgesehen davon zeichnet sich die eingesetzte Vanadium-Redox-Flow-Speichertechnologie dadurch aus, dass sie – im Gegensatz zur Lithium-Ionen-Batterie in E-Autos – ohne Raubbau an ökologischen Ressourcen auskommt, gut recyclebar und nicht brennbar ist. Das dunkle Grau mit Eisenglimmer-Effekt schützte einst Metallbrücken und damit Menschenleben. Heute kann uns die Technologie hinter dem harten, metallisch anmutenden Grau vor dem Klimawandel schützen, indem sie Solarstrom zeitlich unabhängig verfügbar macht. Ein Trend, der sich langsam in Bewegung setzt und auf den es sich lohnt, aufzuspringen.

Grau, die ultimative Farbe

Woher kommen nun die emotionalen – und nicht historischen – Zuschreibungen zur Farbe Grau? Leatrice Eiseman vom Pantone Color Institut erklärt es anhand von „Ultimate grey“, der Farbe des Jahres 2021: „Die Farben, die ein bestimmtes Jahr definieren, sind auch untrennbar mit dem verbunden, was wir kollektiv als hoffnungsvoll empfinden. (…) Bei ‚Ultimate Grey‘ [Pantone 17-5104] geht es um Stärke und Belastbarkeit. (…) In der Natur ist es die Farbe der Kieselsteine am Strand, der Felsen und Steine, die es seit Millionen von Jahren gibt und die nicht so bald verschwinden werden. Grau steht für Stärke; etwas, an dem man festhalten kann und das immer für einen da sein wird.“2
Immer für einen da. Stark. Nachhaltig. Ohne Kapazitätsverlust – passt zum STORAC Batteriespeicher.

Das mystische Grau

Folgen wir nochmal Sloterdijk noch ein Stück in seinen Gedankengängen. Er sagt, es gibt noch eine weitere Ebene in den vielen Bedeutungsschattierungen der Farbe Grau: das mystische Grau. In der modernen Kunst begegnen wir dieser Graubedeutung zum Beispiel bei Gerhard Richter.Grau ist für mich die willkommene und einzig mögliche Entsprechung zu Indifferenz, Aussageverweigerung, Meinungslosigkeit, Gestaltlosigkeit.“ Es ist die Veranschaulichung des Nichts.

War es im französischen Film Chaqu‘un cherche son chat von Cedric Klapisch nicht eine Katze namens Gris-Gris (Grau-Grau), die gerade durch ihre Abwesenheit ein ganzes Pariser Viertel verwandelte? Die zwischenmenschliche und gesamtgesellschaftliche Lücken veranschaulichte und am Ende doch noch Leben in die grauen Gassen brachte?

Das schwer greifbare, gestaltlose Grau fasziniert – ähnlich wie das innovative extraterrestrische Grau von VW und Apple oder das solide und nachhaltige Grau des STORAC. Die edelmatte Wandfarbe Mystisches Anthrazit – Stille des Vulkans“ des Farbenherstellers Alpina schlägt in diese Kerbe: nicht trübselig, sondern zurückhaltend, schlafend, jedoch mit dem Potenzial, ein Feuer zu entfachten.

 

1 Peter Sloterdijk, „Wer noch kein Grau gedacht hat“, Suhrkamp, 2022

2 https://www.vogue.de/mode/artikel/trendfarbe-2021-pantone-farbe-ultimate-grey-illuminating-gelb-farbtrend

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